Das neue SPACtakel am US-Aktienmarkt
In Zeiten von Nullzins und Negativrenditen treiben die Märkte mitunter seltsame Blüten. Viel wurde geschrieben über explodierende Haus- und Wohnungspreise in Großstädten, schwindelerregende Bewertungen von Unternehmen wie Tesla oder den scheinbar unaufhaltsamen Anstieg von Edelmetallpreisen. Doch eine Entwicklung, die an den US-Aktienmärkten dieses Jahr zu einem der beherrschenden Themen geworden ist, hat in Deutschland bislang noch wenig Beachtung gefunden: die Renaissance der sogenannten "SPACs". SPAC steht für "Special Purpose Acquisition Company" - eine Gesellschaft, deren einziger Zweck darin besteht, zu einem späteren Zeitpunkt durch Übernahme oder Merger in einem anderen Unternehmen aufzugehen. In den ersten drei Quartalen 2020 war fast jeder zweite der rund 270 Börsengänge in den USA ein SPAC. Insgesamt flossen damit dieses Jahr schon rund 50 Mrd. US-Dollar in diese Unternehmensform.
Der SPAC legt das im Rahmen seines Börsengangs gesammelte Geld auf die hohe Kante, meist in Form kurzlaufender amerikanischer Staatsanleihen. Ab dem IPO hat das Management dieser Gesellschaft die Aufgabe, meist innerhalb von zwei Jahren ein Akquisitionsobjekt in der vorher kommunizierten Zielindus-trie zu finden. Gelingt das nicht, wird das Geld an die Anleger zurückgezahlt, und die Gesellschaft löst sich auf. Findet sie ein geeignetes Investitionsobjekt, entsteht in der Regel unter Einsatz weiterer Finanzierungsinstrumente ein stattliches neues Unternehmen an der Börse. Was wie eine verrückte Idee klingt, kann tatsächlich vielen der Beteiligten eine Reihe von Vorteilen bieten.
Für Zielunternehmen ist der Zusammenschluss mit einem SPAC eine schnelle und risikoarme Möglichkeit, an der Börse notiert zu werden. Typischerweise erstrecken sich Vorbereitung und Durchführung eines IPO über mindestens sechs Monate. In dieser Zeit ist das Management des Börsenkandidaten stark in die Vorbereitungen eingebunden - fürs Tagesgeschäft bleibt entsprechend weniger Zeit. Zudem ist ungewiss, wie sich die Stimmung an den Finanzmärkten zum Zeitpunkt des geplanten Börsengangs entwickelt, und der Erfolg ist mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Bei einem SPAC hingegen fällt die Due Diligence kurz aus, und der Börsengang lässt sich in wenigen Wochen umsetzen. Der spätere Zusammenschluss mit einem Zielunternehmen braucht dann etwas Zeit, aber die Konditionen stehen fest und sind nicht mehr abhängig vom Wohlwollen der IPO-Zeichner. Der abgekürzte Weg über einen SPAC bietet Unternehmen somit die Vorteile einer Börsennotierung - etwa die Möglichkeit, Mitarbeiteraktien handelbar zu machen, und zwar im Rahmen einer vergleichsweise unkomplizierten Merger- oder Übernahmetransaktion.
Ganz besonders lohnt sich dieses Modell - und das trägt zur jüngsten Emissionsflut vermutlich nicht unwesentlich bei - für die Organisatoren des SPAC, den sogenannten Sponsor. Er kommt häufig aus dem Private-Equity-Umfeld, legt das Börsenvehikel auf und stellt oft auch das Management. Dafür darf er sogenannte "Sponsor-Shares" zum Nominalwert kaufen, die sich bei einem erfolgreichen späteren Zusammenschluss in eine millionenschwere Beteiligung verwandeln. Auch die begleitenden Investmentbanken dürften diese Emissionsflut gern sehen. In der Regel stunden Banken die Emissionskosten bis zu einer erfolgreichen "De-SPAC-Transaktion". Da der Sponsor aber wie beschrieben ein großes Interesse am Gelingen hat, nehmen die Investmentbanken das gern in Kauf.
Was in den USA boomt, braucht meist nicht lange, um auch in Deutschland anzukommen. In den Portfolien der Private-Equity- und "Late Stage Venture Capital"-Gesellschaften schlummern auch hierzulande viele Kandidaten mit der nötigen Börsenreife. Die Aussicht, sich per SPAC einen Exitkanal zu schaffen und ohne IPO-Discount und Transaktionsunsicherheit an die Börse zu kommen, scheint verlockend. Prominente Namen wie das Elektro-Lkw-Unternehmen Nikola und die Virgin Galactic des britischen Entrepreneurs Richard Branson haben es gemeinsam mit vielen anderen vorgemacht.
Aus Investorensicht waren die Erfahrungen mit deutschen SPACs in der Vergangenheit allerdings eher schmerzhaft. In den Jahren 2008 bis 2010 wurden insgesamt drei aufgelegt. Zwei davon endeten mit einem Totalverlust für die Anleger, der Dritte hat seinen Ausgabepreis in den Folgejahren nie wieder erreicht. Entsprechend still ist es seit 2010 in Deutschland um dieses Marktsegment geworden. Doch so wie die irrationalen Übertreibungen der Tech-Blase aus den 2000er-Jahren in den vergangenen Wochen bei manchen US-Aktien wieder zu beobachten waren, kommen mit einer gewissen Regelmäßigkeit auch andere Marktphänomene zurück. Es würde uns nicht wundern, wenn die SPAC-Welle zeitlich versetzt auch nach Europa schwappt.
Blankoscheck
In den USA sind SPACs auch unter dem Namen "blank-check companies" bekannt. Daraus lässt sich ableiten, wie sich Investoren bei SPACs verhalten sollten. Denn einen Blankoscheck auszustellen, ist selten eine gute Idee. Tut man es doch, sollte man vollstes Vertrauen in den Empfänger und seine Fähigkeiten haben. Wie immer im Aktienmarkt gilt auch hier: Vertrauen ist gut, Analyse ist besser.
Börsen-Zeitung, 16.10.2020, Nummer 199, Seite 13
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