Auch 2021 gute Aussichten für europäische Aktien
Grundsätzlich sind die Aussichten für den europäischen Aktienmarkt 2021 gut: Weitere Wertzuwächse sind durch die Kombination aus einer erwartet starken Konjunktur, nur geringfügig steigender Inflation und üppiger Zentralbankliquidität prädestiniert. Allerdings haben die Anleger dieses Szenario schon mehrheitlich in ihren Portfolios mit niedrigen Cash- und hohen Aktienquoten berücksichtigt. Erfahrungsgemäß ist die Wahrscheinlichkeit für eine größere Kurskorrektur an den Aktienmärkten hoch, wenn sich die Finanzmarktakteure unisono pro steigende Kurse positioniert haben.
Eine Szenario-Analyse
Ein Blick auf die möglichen Szenarien lohnt also. Dazu analysieren wir die beiden Einflussfaktoren auf die Kursentwicklung getrennt, und zwar
(1) die Änderung des Kurs-Gewinn-Verhältnis
und
(2) die Änderung des Gewinns pro Aktie
Die Kursentwicklung des MSCI Europa 2021 wird sich also aus der Veränderung der Bewertung plus der Wachstumsrate der Unternehmensgewinne zusammensetzen.
Für die Unternehmensgewinne gibt es eigentlich nur zwei Szenarien: kräftiges Wachstum oder Fast-Stagnation. Tritt die von uns erwartete Konjunkturerholung ab Sommer ein, ist für 2021 mit einem Anstieg der Unternehmensgewinne pro Aktie von etwa 25 bis 35 % im Einklang mit den Erwartungen der Analysten zu rechnen.
Ende Dezember betrug das Kurs-Gewinn-Verhältnis des MSCI Europa auf Basis der durchschnittlichen Unternehmensgewinne der vergangenen zwölf Monate etwa 23. Der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre liegt bei etwa 15. Die spannende Frage ist nun, wie sich die Bewertung entwickeln wird. Erfahrungsgemäß reflektiert die Bewertung die Stimmung der Finanzmarktakteure, die Erwartungen an die Unternehmensgewinne und die Geldpolitik. Historisch schwankt die Bewertung um einen Mittelwert. Eine Lesart der hohen Bewertung Ende Dezember ist also, dass sie erstens die Erwartung hoher Unternehmensgewinne in der Zukunft widerspiegelt und zweitens die Alternativlosigkeit von Aktien aufgrund der historisch niedrigen Zinsen. In einem von Vernunft geprägten Umfeld müsste also die Bewertung von 23 Ende Dezember 2020 auf 17 bis 19 bis Ende Dezember 2021 fallen, da die Wachstumsrate der Unternehmensgewinne in den Jahren 2022 und 2023 wieder sinken dürfte. Damit wäre eine Kursentwicklung zwischen -6 und 13 % möglich. Alternativ könnte die Bewertung 2021 unverändert bei 23 verharren; Grund hierfür könnte eine anhaltende Euphorie der Anleger vor dem Hintergrund der üppigen EZB-Liquidität sein. In diesem Fall würde ein Kurspotenzial zwischen 27 % und 37 % bestehen – das Szenario einer Aktienmarktblase.
Verzögert sich die Konjunkturerholung jedoch aufgrund eines zu langsamen Impftempos oder einer neuen impfstoffresistenten Mutation, dürfte die erwartete Konjunkturerholung ausbleiben und somit zu einer fast Stagnation der Gewinne mit einem Wachstum von 5 % beitragen. In diesem Fall könnte sich Enttäuschung bei den Anlegern breitmachen und die Bewertung sogar wieder auf 15 fallen. Die Folge wäre eine Kursentwicklung von -12 % bis -30 %. In den kommenden Monaten dürften jedoch weitere Impfstoffe zugelassen werden, sodass dieses Szenario eher unwahrscheinlich ist. Ein weiteres Risikoszenario ist ein Inflationsschub in den USA und merklich höhere Renditen von 10-jährigen US-Staatsanleihen. In diesem Fall würden zwar die Gewinne um 35 % steigen, die Bewertung aber auf 15 fallen. Die Folge wäre ein Kursverlust von 11 %. Vor dem Hintergrund der immer noch hohen Arbeitslosigkeit fällt es schwer zu glauben, dass die Inflation in diesem Jahr tatsächlich merklich ansteigen könnte.
Gute Chance auf zweistellige Kursentwicklung
Zusammenfassend sprechen die Erwartungen eines Konjunkturaufschwungs, die Erwartungen einer niedrigen Inflation, die anhaltende üppige Zentralbankliquidität und die historischen Niedrigzinsen dafür, dass es allenfalls nur zu einem sehr moderaten Rückgang der Bewertung bei gleichzeitig hohem Gewinnwachstum kommen dürfte. Ein Kursgewinn im zweitstelligen Bereich bleibt daher das wahrscheinlichste Szenario – auch wenn es zwischenzeitlich eine heftige Korrektur geben sollte.
Die Konjunkturdaten halten sich besser als gedacht
Trotz zweiter Infektionswelle und vieler neuer Lockdown-Maßnahmen hielten sich die Konjunkturdaten bisher merklich besser als gedacht. Die spannende Frage ist nun, ob es auch so bleiben wird. Schon im vierten Quartal konnte die deutsche Wirtschaft voraussichtlich einen Rückgang des BIP (Freitag) vermeiden – dank eines starken Industriesektors. Der ifo-Index (Montag) sowie der EU-Geschäftsklimaindex (Donnerstag) werden zeigen, wie es weitergeht. Gegenüber dem ersten Lockdown gab es erhebliche Lerneffekte, die im zweiten Lockdown eine bessere wirtschaftliche Entwicklung erlauben.
In den USA läuft die Wirtschaft dagegen bisher überraschend gut. Das BIP (Donnerstag) dürfte im vierten Quartal sogar gewachsen sein, ebenso wie die Auftragseingänge (Mittwoch) und die Neubauverkäufe (Donnerstag). Spannend wird die Frage nach dem Konsumentenvertrauen (Dienstag), da die Ansteckungszahlen sinken und die Impfungen merklich steigen – schon ein Grund für ein wieder höheres Konsumentenvertrauen.
Anhang: Berechnung der langfristigen Ertragsschätzung von Aktien
Um obige Szenarioanalyse in den Kontext unserer Berechnung der langfristigen Erträge von Aktien zu setzen, wird hier die Methodik für den langfristigen Blick in die Zukunft dargestellt. Der Gesamtertrag einer Aktienanlage lässt sich in folgende Bestandteile zerlegen:
(1) Änderung des Kurs-Gewinn-Verhältnis
(2) Änderung des Gewinns pro Aktie
(a) Reales Umsatzwachstum
(b) Änderung der Gewinnmarge
(c) Änderung der Zahl an ausstehenden Aktien (u. a. wegen Aktienrückkäufen)
(3) Dividenden.
Unternehmen können ihre erwirtschaftete Eigenkapitalrendite verwenden für die Auszahlung von Dividenden, für den Rückkauf von Aktien und für eine Reinvestition ins Unternehmen. Daher muss die Summe aus realem Umsatzwachstum (als Resultat der Reinvestitionen) plus Aktienrückkäufen plus Dividendenrendite langfristig der Eigenkapitalrendite entsprechen. Wir unterstellen, dass Unternehmen weltweit langfristig eine Eigenkapitalrendite von 6 % erwirtschaften. Die Eigenkapitalrendite ist eine reale Größe. Darüber hinaus tendieren das Kurs-Gewinn-Verhältnis und die Gewinnmargen der Unternehmen über einen sehr langen Zeitraum seitwärts. Über einen Zeitraum von sieben und von vierzehn Jahren sind die Gewinnmargen und das Kurs-Gewinn-Verhältnis jedoch nicht konstant, sondern schwanken. Hier verwenden wir die vereinfachende Annahme, dass eine heute zu beobachtende Abweichung vom Mittelwert sich über eine Periode von sieben bzw. vierzehn Jahren wieder korrigiert.
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