Spätrömische Zustände in den USA
In der langen Geschichte des römischen Reichs gab es immer wieder Spaltungen innerhalb der Gesellschaft und Bürgerkriege. Manche Historiker sehen den Grund darin, dass in den Phasen vor den sozialen Unruhen die Verteilung der Einkommen sehr ungleich geworden war. Der neuen US-Administration unter Präsident Joe Biden kommt somit die Aufgabe zu, das Land wieder zu einigen und für eine gerechtere Verteilung der Einkommen zu sorgen. Das dürfte nur mithilfe höherer Sozialausgaben sowie höheren Ausgaben für Bildung und Infrastruktur gelingen. Sollte es nicht möglich sein, die höheren Staatsausgaben zumindest teilweise mit höheren Steuern gegenzufinanzieren, droht perspektivisch eine merklich steigende Inflation in den USA – auch ein spätrömisches Phänomen. Die Steuerpolitik wird also über die mittelfristige Stabilität der amerikanischen Gesellschaft entscheiden.
In Europa ist der Sozialstaat deutlich stärker ausgebaut, sodass die Spaltungstendenzen bisher eher begrenzt sind. Der Brexit kann jedoch auch in diese Richtung interpretiert werden, ebenso wie die nach wie vor sehr große Beliebtheit rechtsextremer Parteien in Umfragen in Italien. Auch könnten die Präsidentschaftswahlen in Frankreich 2022 wieder nur sehr knapp ausgehen.
Inflation als Risiko in den USA und in China
Die Demokraten konnten in Georgia die beiden verbleibenden Senatssitze gewinnen und haben nun auch eine Mehrheit im Senat. Damit ist es wahrscheinlich geworden, dass die Demokraten im ersten Quartal weitere staatliche Ausgabenprogramme in Höhe von 750 Mrd. USD beschließen werden. Wenn nun neben dem Staat auch die privaten Haushalte und die Unternehmen ihre Ausgaben merklich nach oben schrauben, könnte es zu einem Anstieg der Inflation schon im Jahresverlauf 2021 kommen. Daher ist es wichtig, schon jetzt einen Blick auf die Inflationsdynamik (Mittwoch) zu werfen. Im ersten Halbjahr sehen wir jedoch nur geringe Inflationsrisiken, da die Pandemie die wirtschaftliche Aktivität bremst. Dementsprechend rechnen wir auch mit schwachen Werten für den Einzelhandel (Freitag). Immerhin ist die Industrie ein Lichtblick mit starken Werten: NFIB-Index (Dienstag) und Industrieproduktion (Freitag). Die Industrie hat jedoch nur noch ein Gewicht von etwa 17 % an der Wirtschaftsleistung, sodass sie kaum noch die Gesamtwirtschaft beeinflussen kann.
Auch in China könnte die Inflation zu einem Risiko werden, da der Konsum in diesem Jahr zum Wachstumsmotor werden dürfte – neben dem Export (Donnerstag), der schon jetzt boomt. Wir rechnen mit einem Anstieg der chinesischen Konsumausgaben um insgesamt 750 Mrd. USD auf 6,2 Billionen USD zu Marktwechselkursen.
Die spannende Frage ist, ob der Konsumboom nicht auch Spuren bei den Konsumentenpreisen hinterlassen wird: Inflation (Montag). Ein zeitgleicher Konsumboom in den USA und China könnte durchaus für merklich steigende Rohstoffpreise und Inflationsraten weltweit sorgen, wobei auch in diesem Fall die Inflationsrisiken in Japan und Europa eher gering sind – aufgrund der hohen Sparneigung der Bevölkerung und Unternehmen sowie der begrenzten zusätzlichen staatlichen Neuverschuldung. Diese Einschätzung spiegeln auch die Inflationserwartungen an den Finanzmärkten wider. So verzeichnete die eingepreiste durchschnittliche Inflationsrate in den kommenden 10 Jahren einen Anstieg von 0,69 % im März 2020 auf 2,29 % zu Jahresanfang 2021 in den USA und nur von 0,4 % auf 1,17 % in der Eurozone – laut Inflationsswaps.
Update: Prognose EUR/USD-Wechselkurs
Wenn man vom „US-Dollar“ spricht, meint man in der Regel, wie sich der US-Dollar gegenüber allen anderen Währungen schlägt. Zur Berechnung werden meistens alle anderen Währungen in einen Korb geworfen und auf Basis des Außenhandelsumfangs mit den USA gewichtet. Oft werden noch die Inflationsunterschiede berücksichtigt. Die langanhaltende Deflation in Japan hat beispielsweise zur realen Abwertung des japanischen Wechselkurses in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich beigetragen. Der „US-Dollar“ ist also der reale handelsgewichtete Wechselkurs des US-Dollars.
Interessanterweise lässt sich die Entwicklung des realen handelsgewichteten US-Dollars seit 1970 überraschend gut mit der Entwicklung der US-Staatsschulden im Vergleich zu den Staatsschulden der wichtigsten Handelspartner erklären und sogar prognostizieren. Die Staatsschulden scheinen nämlich erst mit einer Zeitverzögerung einen Einfluss auf den Wechselkurs zu haben, wie meine zu frühe Prognose einer US-Dollar-Stärke 2013 sowie meine zu frühe Prognose einer US-Dollar-Schwäche 2019 mir schmerzhaft verdeutlichte.
Die tendenziell schneller steigenden Staatsschulden in den USA gegenüber denen der Handelspartner sprechen für einen grundsätzlich fallenden US-Dollar in den kommenden Jahren. Auch der EUR/USD-Wechselkurs lässt sich gut mithilfe der relativen Inflations- und Staatsschuldenentwicklung erklären und prognostizieren. Der Wahlsieg der Demokraten in Georgia und das Erreichen einer Mehrheit im Senat bedeuten, dass die Staatsschulden in den USA in diesem Jahr noch um zusätzliche 750 Mrd. US-Dollar steigen könnten. Aufgrund der beschriebenen zeitverzögerten Auswirkungen wird dies jedoch erst im kommenden Jahr Auswirkungen haben. Wir prognostizieren für 2021 einen Jahresdurchschnitt von etwa 1,25 EUR/USD und für 2022 einen Jahresdurchschnitt von 1,30 EUR/USD.
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